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Neuigkeiten, Anekdoten und
Gedankensplitter
Samstag, 26.09.2015
Verlage, ISBN, Distributoren und
eine Menge unnötiger Stress
- Sonderseite Einzelbericht -
Tja, wo soll ich anfangen... ich weiß es
eigentlich gar nicht, weil so unglaublich viel
in den letzten Tagen und Wochen seit dem
Eintrag vom 20. August passiert ist, dass ich
nicht einmal dazu kam, den Blog zu
aktualisieren.
Weil jetzt ein ausführlicher Bericht kommt,
packe ich das mal auf eine Extraseite für
diejenigen, die der Bericht zu diesem
unglaublichen Bürokratiekram interessiert.
Okay, mal etwas Struktur ansetzen.
CreateSpace = Amazon =
aufpassen mit den Rechten
und Möglichkeiten
Da war die Geschichte, dass ich das per
CreateSpace (=Amazon-Tochter) gedruckte
Buch, das ja auch auf dem deutschen Markt
erscheint, beim "Verzeichnis der lieferbaren
Bücher" (VLB) anmelden wollte.
Nunja, sobald das Buch gedruckt ist, ist es ja
prinzipiell lieferbar. Also: Warum sollte es
dann nicht in ein Verzeichnis, dass man
dieses Buch bestellen kann.
Aber: Wir leben in Deutschland, und
deswegen ist es eben bürokratischer und
vertrackter als man es als Normalbürger
denkt. Und im Fall von Büchern und ISBN
heißt das: CreateSpace darf gar nicht ISBNs
für Selbstverleger vergeben, weil diese Stelle
angeblich gar nicht dafür zugelassen sei,
eigenständig gültige ISBNs zu vergeben. Und
ohne ISBN wird ein Buch eben nicht im
Buchhandel gelistet. Ganz egal, ob dieses
Verzeichnis so heißt, dass es sich um
lieferbare Bücher handelt.
In verständlicher Sprache ausgedrückt und
vielleicht etwas subjektiv, aber irgendwie
passend: CreateSpace als Tochter von
Amazon vereimert die Autoren, die sich auf
die vorher während der Buchregistrierung
gemachten Vertragsklausulierungen
verlassen, dass sie jedes Recht an ihrem
Buch behalten und die Autoren als
Selbstverleger tatsächlich jegliche Rechten
und Pflichten eines Verlegers behalten und
eingehen.
Deswegen müssen Selbstverleger aus
Deutschland ja auch ihren Pflichten
nachkommen und die Pflichtexemplare bei
der Deutschen Nationalbibliothek abliefern.
Und vieles mehr, was diese Dinge betrifft.
Nun denn, CreateSpace bietet eine
"kostenlose ISBN" an, mit der man dann die
zusätzlichen Rechte hätte, die erweiterten
Distributionskanäle in den USA noch zu
nutzen. Laut Webinformationen.
Haha.
De facto macht sich CreateSpace eigentlich
zum Verleger in Bezug auf die ISBN-
Nummern, weil man mit den von
CreateSpace vergebenen ISBN-Nummern
kein Recht hat sein eigenes, selbst verlegtes
Buch bei den standardisierten Schnittstellen
zu melden! Und das, obwohl CreateSpace
definitiv nur die Druckdienstleistungen
übernimmt.
Da fragt man sich: Was ist die Definition
eines Verlags? Was sind die Aufgaben eines
Verlags, und ab wann nimmt man juristisch
und faktisch gesehen die Aufgabe eines
Verlags wahr?
Eindeutig klar ist: Ein Selbstverleger trägt
sämtliche Riskiken, Rechte und Pflichten
eines Verlags und ist damit Verlag. Und nicht
ein Druckdienstleister wie CreateSpace, der
nichts anderes tut als digital eingesandte
Dateien auszudrucken, mit ein paar kleinen
Zusatzleistungen, wenn man die beauftragt
hat.
CreateSpace hat laut meinen Informationen
kein Recht, eine ISBN anzumelden, weil
CreateSpace als ISBN-Agentur gar nicht
zugelassen sei. Ob das juristisch richtig ist
oder nicht stelle ich mal dahin, es ist aber
aktueller Stand der Praxis.
Die von CreateSpace vergebenen ISBNs
taugen nichts, sie sind faktisch nicht gültig.
Ein riesiges Durcheinander...
Die Kontaktpersonen beim VLB (Verzeichnis
lieferbarer Bücher) und MVB (Marketing- und
Verlagsservice des Buchhandels) haben mir
mit viel Geduld die ganze Problematik
auseinandergelegt, und das ist bei weitem
mehr Einsatz und Geduld, als ich von
anderen Leuten in der Branche bisher erlebt
habe.
Gut, oder auch schlecht, der tolle Druck der
Bücher bei CreateSpace war also umsonst,
weil alles, was da mit dieser ungültigen ISBN
gedruckt wurde, erneut und mit "echter"
ISBN gedruckt werden muss, wenn man es
denn im internationalen Buchhandel
einbringen will.
Nach geltendem Recht muss man zwar
überhaupt keine ISBN verwenden,
aaaaaaber: Eine ISBN kennzeichnet eben
genau das Produkt, das andere Leute, also
die Kunden, bestellen wollen. Und nichts
anderes, auch nicht in einer anderen Version.
Wer ein Taschenbuch von diesem Werk
bestellt, soll auch ein Taschenbuch von genau
diesem Werk bekommen und nicht eine
Schallplatte oder sogar eine andere
Geschichte, die eine ähnliche Thematik hat.
Dafür ist eine Registrierungsnummer wie die
ISBN da.
Was damit nicht klar ist: Warum darf
CreateSpace nicht eindeutige und weltweit
einmalige Nummern für genau einzigartige
Werke einsetzen, die damit weltweit
eindeutig gekennzeichnet sind?
Das bleibt eine Frage an die Verantwortlichen
dieser Registrierungssysteme.
Gibt es ein Leben nach der
ISBN?
Damit war ich also gezwungen, eine ISBN für
mein Buch zu kaufen. Da "Hinter dem
Wasserfall" aber der erste Teil einer
mehrbändigen Reihe ist und auch als E-Book
herauskommt, benötigte ich gleich einen
ganzen Satz ISBNs. Und: Um mehrere ISBNs
anzumelden, benötigt man eine Verleger-
ISBN und einen Gewerbeschein als Verlag.
Meinen bisherigen Gewerbeschein
(Mediendesign) erweiterte ich also (gegen
Gebühren) um die Verlagstätigkeiten,
bestellte eine Liste von ISBNs (wieder
Gebühren) und eine Verlags-ISBN-Nummer.
Das kostete insgesamt eine Stange Geld, war
aber billiger als jeweils eine Einzel-ISBN für
mehr als ein Buch zu kaufen.
Gleichzeitig musste ich noch die bisherige
Druckversion bei CreateSpace aus dem
Verkehr ziehen, eine neue Druckversion
erstellen (dazu musste der Buchblock und
das Cover geändert werden, die
Impressumsdaten angepasst und der
Strichcode auf dem Buchrücken neu erstellt
werden), diese neue Version hochladen und
den gesamten Registrierungsprozess auf
CreateSpace, Amazon und endlich beim VLB
durchhäckseln.
Der mit Abstand aufwändigste Teil war die
Registrierung beim VLB, weil es für viele
Dinge hunderte Untereintragungen gibt, z.B.
wie das Buch gebunden ist.
Was ist "English Brochure", ist das Buch nun
als "Paperback", "geklebt" oder wie zu
registrieren?
Inzwischen schwirrten mir schon tausende
Begriffe vor den Augen herum, bis ich dann
nach mehreren Stunden mit dem
Registrierungsprozess durch und alle Daten
hochgeladen waren.
Leider bleibt einem Selbstverleger nichts
anderes übrig als sich durch diesen
Dschungel von Bürokratie zu kämpfen, mit
der reinen Arbeit an einem Buchtext hat das
alles nichts mehr zu tun und kostet
unglaublich Nerven.
Aber es kam noch viel schlimmer.
Die Verlockung einer Falle
Um wenigstens die Arbeit zu minimieren, das
E-Book nicht selbst bei hunderten
Plattformen und Shops anmelden zu müssen,
wollte ich einen Distributor ausfindig
machen. Davon gibt es einige, die beliefern
dann auch Shops, die man selbst als Autor
nicht einfach so beliefern kann.
Tja, im ersten Moment sah "Neobooks"
ganz gut aus, vor allem verlockte das
Angebot, dass das eingesandte E-Book nicht
nur sofort in den Handel kommt, sondern
auch bei entsprechender Aktivierung für
diese Option an einem Scouting-Programm
der Verlagsgruppe Droemer Knaur teilnimmt.
Und welcher Jungautor träumt nicht davon,
dass sein Buch mal bei einem großen verlag
angesehen wird und ein möglicher Vertrag
winkt.
Zwei Tage später war ich davon kuriert, und
um es subjektiv zu beschreiben, entpuppte
sich Neobooks als eine Art Venusfliegenfalle
mit glänzenden, verlockenden
Nektartröpfchen.
Mein E-Book hatte ich hochgeladen und mit
dem Scouting-Programm verknüpft,
allerdings konnte es noch nicht für den
Handel freigegeben werden. Eine Mail kam,
dass ich die ISBN aus dem Buch löschen
solle.
Wie bitte?!?
Ja, Neobooks verwendet ausschließlich
eigene ISBNs und lässt einem Selbstverleger
kein Recht, seine eigene Verlags-ISBN zu
nutzen.
Wie das sein kann, dass ein Distributor, der
ja kein Verlag ist, einem Selbstverleger
dieses Recht nimmt, ist wohl nur dadurch zu
erklären, dass Neobooks eine Plattform eines
Verlags ist und nur scheinbar als Distributor
auftritt, in Wirklichkeit aber die Bücher in
eine Art Vertrag mit einem Verlag stellt.
Eine Mailbestätigung kam, dass eine eigene
ISBN tatsächlich nicht verwendet werden
könne.
Es kam aber noch viel dicker.
Während ich dann einen Vertrag mit einer
anderen Distributionsplattform (libreka)
machte, die eigene ISBNs ermöglicht und
sich auch sonst wesentlich professioneller
zeigt, deaktivierte ich sicherheitshalber noch
auf Neobooks den Wunsch, dass das Buch
irgendwann mal über diese Plattform
vertrieben werden sollte.
Durch Zufall entdeckte ich dann aber bei
einer Google-Suche, dass Neobooks mein E-
Book als "kostenlos herunterladbar" anbot!!
Ich konnte es nicht fassen und dachte, es
wäre ein übler Scherz.
Ein Klick auf den Link ermöglichte tatsächlich
den kostenlosen Download des gesamten
Buches, und das, obwohl das Buch für den
gesetzlich gebundenen Preis
(Buchpreisbindung in Deutschland!) von 2,99
EUR definiert war und ich deaktiviert hatte,
dass das Buch über Neobooks überhaupt
vertrieben werden darf.
Ich ersetzte schnell das Buch durch die
Leseprobe und löschte danach die Daten zu
dem Buch. Es ist einfach unfassbar.
Auf der Suche nach der Möglichkeit, meinen
Account zu löschen (dazu gibt es dort keinen
Link!), googelte ich danach und fand dann
etliche Foreneinträge von Betroffenen, die
ebenfalls erhebliche Probleme mit Neobooks
hatten und haben, was sich offenbar schon
seit Jahren hinzieht und nach wie vor nicht
verbessert wurde. Schade, dass ich vorher
nicht nach "Neobooks Account löschen"
gesucht hatte, aber wer sucht sowas schon,
wenn er eine Dienstleistung nutzen möchte...
Mein persönlicher Rat an alle Autoren:
Warnung vor Neobooks, nicht nur wegen der
Sache mit der kostenlosen Freigabe eines
urheberrechtlich geschützten und für 2,99
EUR erhältlichen E-Books. Sondern auch, weil
man mit der Bindung an die ISBN von
Neobooks vermutlich ein großes Problem hat,
später mal einen Vertrag mit einem richtigen
Verlag zu bekommen.
Ende gut, alles gut?
Mittlerweile ist das Buch "Hinter dem
Wasserfall" mit neuer ISBN (978-3-9817684-
1-1) erhältlich, das E-Book im EPUB-Format
wird in Kürze unter der ISBN 978-3-
9817684-0-4 in vielen Shops des
Buchhandels erhältlich sein. Bei Amazon
muss man noch aufpassen, dass man die
neue, 2. Auflage bestellt
(http://www.amazon.de/Hinter-dem-
Wasserfall-Die-Wasserfall-
Trilogie/dp/3981768418) und nicht die 1.
Auflage mit der alten ISBN von CreateSpace.
Ich bin sicher, dass ich noch einige weitere
krasse Erlebnisse als Autor und
Selbstverleger vor mir haben werde. Aber es
ist und bleibt eben eine spannende Aufgabe,
die weit darüber hinaus geht, "einfach mal
nur ein Buch zu schreiben", wie sich das viele
Menschen so vorstellen.
Jugendfantasy von Oliver Jungjohann